„Albertus Magnus – Kölns bedeutendster Bürger“ – so lautete der Titel, unter dem der von Kölner Bürgerinnen und Bürgern gegründete Förderkreis Albertus-Magnus-Institut e.V. 2014 erstmals einen Albertus-Magnus-Preis ausgelobt hatte. Zur Teilnahme an diesem Wettbewerb angeregt werden sollten Schülerinnen und Schüler der Gymnasien und Gesamtschulen des Köln/Bonner Raumes. Dass Kölns vielleicht bedeutendster Bürger, Albertus Magnus, für einige heutigen Selbstverständlichkeiten in Wissenschaft und Politik bereits im Mittelalter die Weichen gestellt hat, dies wieder ins Bewusstsein, vor allem auch der nachwachsenden akademischen Jugend zu heben, war das Ziel dieses Wettbewerbs. Aufgrund der breiten Themenstellung war eine Bearbeitung des Themas aus der Perspektive unterschiedlicher fachlicher Bezüge möglich und erwünscht, so dass Anbindungen sowohl an geistes- und sprachwissenschaftliche als auch an sozial- und naturwissenschaftliche Fächer gesucht werden konnten.
Die Ausschreibung des Wettbewerbs erfolgt im Sommer 2014. Ausarbeitungszeitraum der Wettbewerbsbeiträge war das Schuljahr 2014/15. Die Ergebnisse sollten bis Juli 2015 eingereicht werden. Nicht alle avisierten Projektvorhaben konnten freilich abgeschlossen werden. Eine fachkundige Jury, die aus Philosophen, Theologen, Pädagogen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bestand, hat am 29. Oktober 2015 nach eingehender Begutachtung und Diskussion entschieden, zwei Arbeiten mit dem Albertus-Magnus-Preis auszuzeichnen – und zwar beide gleichwertig im Rang:
- eine Gruppenarbeit eines ganzen Philosophie-Kurses des Gymnasiums Lechenich sowie
- die Individualarbeit eines Schülers des Freiherr-vom-Stein Gymnasiums in Leverkusen.
Gleichzeitig wurde beschlossen, das Preisgeld des mit 3000 Euro dotierten Albertus-Magnus-Preises unter Berücksichtigung der Anzahl der Teilnehmer auf die beiden preiswürdigen Wettbewerbsbeiträge entsprechend aufzuteilen.
Im Beisein von Bürgermeister Hans-Werner Bartsch konnten die Vorsitzende des Förderkreises, Frau Dr. Marie-Luise Pichlmaier-Adenauer, und das Mitglied des Kuratoriums, Herr Prof. Dr. Armin Wildfeuer, die Preisträger im Rahmen eines Festaktes am 29. April 2016 im Rathaus der Stadt Köln auszeichnen.
Würdigung der Preisträger
Der Albertus-Magnus-Preis, dotiert mit 500 Euro, ging zum einen an den Wettbewerbsbeitrag von Herrn Simon Müller, Schüler des Freiherr-vom-Stein Gymnasiums, Leverkusen. Tutorin der Arbeit als begleitende Lehrerin war Frau Indra Matiske. Die Individualarbeit trägt den Titel: „Das Testament des Albertus Magnus. Was sein letzter Wille über seine Person verrät.”
Der Beitrag widmet sich dem von Albert eigenhändig um 1278 verfassten Testament, das aufgrund einer Abschrift aus dem 15. Jahrhundert überliefert ist. Herr Müller geht der Frage nach, welche Bedeutung oder welchen Ertrag der „letzte Wille“ Alberts über die Regelungen unmittelbarer Vererbungsangelegenheiten hinaus hat. Denn, so der Verfasser: „Albert möchte der Welt mehr hinterlassen als die darin aufgezählten Gegenstände“.
In einem ersten Teil bettet Verfasser das Testament Alberts ein in die lebensweltlichen Kontexte, die für den Lebensweg Alberts bestimmend waren: die Armutsbewegung und die Bettelorden des 13. Jahrhunderts, wobei er sich insbesondere den spezifischen Idealen des Dominikanerordens widmet. Albert, so Herr Müller, war „zwischen Ideal und Wirklichkeit gefangen“, zwischen Studium und Wissenschaft einerseits und den Anforderungen seines hohen geistlichen Amtes als Bischof andererseits, zumal die mit dem Amt verbundene Entbindung von den Regularien des Ordens (insbesondere dem Armutsgelübde) und die dadurch gegebene Ermöglichung von Besitz dem Ordensideal widersprachen. Wie scheint dieser Konflikt im Testament auf und wir wird er gelöst, so lautet das Erkenntnisinteresse des Verfassers?
Herr Müller untersucht hierzu in einem zweiten Teil seiner Arbeit das Testament Alberts unter dem Gesichtspunkt der Quellengattung, der Überlieferungsgeschichte und des darin benannten Besitzes weltlicher Dinge („Erbmasse“). Er stellt fest, dass das Testament mehr Informationen enthält als die reine Regelung des materiellen Nachlasses. Denn auf dem Konflikthintergrund seiner Entbindung vom Armutsgelübde wird im Testament gleichsam „zwischen den Zeilen“ auch das „geistige Vermächtnis“ Alberts sichtbar. Indiz hierfür ist, so Simon Müller, die Reihenfolge, in der Albert seinen Besitz vermacht: an erster Stelle stehen Bücher, an zweiter Stelle Paramente und erst dann folgen die getroffenen Bestimmungen zum finanziellen Erbe. Alberts bleibendes „geistiges Vermächtnis“ lautet daher, so der Verfasser: „kümmert Euch primär um das Studium und den Glauben“.
Die 17-seitige Arbeit von Herrn Müller wurde von der Jury des Albertus-Magnus-Preises als in besonderer Weise preiswürdig gewertet. Die Arbeit erfüllt — für einen Schüler damals der 11. Klasse auf erstaunlich hohem Niveau — in formaler wie inhaltlicher Hinsicht alle Kriterien einer anspruchsvollen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema. Und Sie bringt das „geistige Vermächtnis“ Alberts zutreffend auf den Punkt.
Der Albertus-Magnus-Preis, dotiert mit 2500 Euro, geht desweiteren gleichwertig an eine Gruppenarbeit, nämlich den Wettbewerbsbeitrag des Grundkurses Philosophie des Gymnasiums Lechenich. Betreuende Lehrerin war Frau Dr. Ulrike Meyer-Woeller. Die Gruppenarbeit trägt den Titel: „Menschenbild, Staatstheorien und Gesellschaftsstrukturen von der Antike bis zur Aufklärung”
Der in Form einer Präsentation eingereichte Wettbewerbsbeitrag ist der Ertrag einer auf ein ganzes Quartal hin angelegten Gruppenarbeit, an der ca. 50 Schüler der Altersgruppe 15–17 Jahre teilgenommen haben. Die Schülerinnen und Schüler waren im Schuljahr 2014/15 zwei Grundkursen des Faches Philosophie zugeordnet. Beide Kurse haben ihre jeweiligen Ergebnisse gemeinsam diskutiert, aufeinander abgestimmt und daraus eine gemeinsame Ergebnispräsentation erarbeitet.
Projektziel der Gruppenarbeit war es, unter dem Titel „Menschenbild, Staatstheorien und Gesellschaftsstrukturen von der Antike bis zur Aufklärung“ die geistes- und ideengeschichtlichen Entwicklungslinien zu identifizieren, auf deren Hintergrund sich die thematischen Überschneidungen und Zusammenhänge der Inhalte und Fragestellungen der Fächer Philosophie, Geschichte und Sozialwissenschaften durchsichtig machen lassen. Im Ausgang einerseits von der aristotelischen Theorie des Staates, andererseits vom Wissenschaftsverständnis des Aristoteles sollte der Überlieferungsgeschichte des antiken Wissens nachgegangen werden. Gewürdigt werden sollte dabei besonders auch die Vermittlungsrolle der arabischen Philosophie für die Genese des Wissenschaftsverständnisses des Hochmittelalters sowie die besondere Rolle des Albertus Magnus in diesem Transformationsprozess. Dieser differenzierte Blick auf das Mittelalter sollte helfen, eingefahrene Stereotypen des Mittelalterbildes zu revidieren und die bis in die Neuzeit und die Moderne hinein wirkmächtigen Neuaufbrüche des mittelalterlichen Denkens nicht nur für die Wissenschaften (Philosophie, Theologie, Naturwissenschaften), sondern auch für Politik und Gesellschaft zu identifizieren.
Die im eingereichten Wettbewerbsbeitrag dokumentierten „Stimmen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Projekt“ sind ein Indiz dafür, dass es Frau Dr. Meyer-Woeller mit großem pädagogischem und didaktisch-methodischem Geschick gelungen ist, dieses Projektziel mit Ihren Schülerinnen und Schülern zu erreichen. Sie gibt in ihrer Auswertung den Erkenntnisertrag der Schüler folgendermaßen wider: „Die wechselseitige und vielfältige Abhängigkeit von Orient und Okzident beeindruckte die Jugendlichen sehr. Nicht nur Schüler, die selbst in den Familien einen orientalischen Migrationshintergrund haben, sondern auch alle politisch Interessierten, kamen zu völlig neuen Erkenntnissen. Der Blick auf das Mittelalter revidierte das Bild von Rittern, Burgen und Aberglaube, das bei vielen noch aus der Mittelstufe mitschwang: die Rolle der Städte, des Bürgertums, der Klöster- und Domschulen trat in den Vordergrund. Die Außergewöhnlichkeit des Albertus Magnus als Brückenbauer von Antike zur Neuzeit begeisterte viele und Entwicklungslinien bis in unsere Tage wurden entdeckt.“
Das aus 25 Postern bestehende Projektergebnis wurde von der Jury des Albertus-Magnus-Preises als in besonderer Weise preiswürdig gewertet. Inhaltlich hervorzuheben ist insbesondere, dass die Rolle, die dem Denken des Albertus Magnus im historischen Transformationsprozess des Hochmittelalters zukommt, ausführlich und sachgerecht gewürdigt wurde. In methodisch-didaktischer Hinsicht ist es Frau Dr. Meyer-Woeller zudem hervorragend gelungen, die teilnehmenden Schüler auf hohem Niveau mit Blick auf ein komplexes Thema zu interdisziplinärem Arbeiten anzuregen und damit Fragestellungen zu evozieren, die über historische Zusammenhänge hinaus orientierend wirken für das Selbstverständnis des modernen Menschen.
Im Anschluss an die Preisverleihung sprach vor etwa 200 Zuhörern Herr Prof. Dr. Rudolf Schieffer zu dem Thema: „Albert der Große und die städtische Revolution in Köln“.